Donnerstag, 2. November 2017
Tag. 5. Yosemite Nationalpark - Der Mist Trail
Was für eine Nacht.

Ich habe fast kein Auge zugemacht. Es wurde so kalt, damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Der Schlafsack ist für 0 Grad Celsius ausgelegt und trotzdem werde ich die kommende Nacht mit einer langen Hose schlafen. Alice hatte da weniger Probleme, sie schlief mit langen Sachen um dem vorzubeugen. Was soll ich sagen, schlau die Frau. Aber sei es drum, aufstehen mussten wir trotzdem.



Alice ist wieder die erste und schon früh auf den Beinen. Viel zu früh für meinen Geschmack. Ich brauchte ungefähr eine gefühlte Viertelstunde länger. Es war wahrscheinlich eher eine halbe aber pssst. Es gab eigentlich nicht sonderlich viel zu tun außer zu Frühstücken und ein paar Sandwiches zu schmieren. Zwei Mohrrüben dazu, ein paar Äpfel und das sollte es auch schon gewesen sein. Natürlich noch Wasser und zwar viel davon, denn der heutige Tag gilt ausschließlich dem Wandern.

Also ab ins Auto und los. Am kleinen Rangerhäuschen hatten wir noch schnell eingecheckt und uns unsere Nummer für den Campground abgeholt. Crane Flat 222 da hatten wir unser Lager aufgeschlagen. Alice war schon wieder etwas nervöser Natur, da alles in ihren Augen wieder viel zu lange gedauert hatte. Und dann gab es unterwegs auch noch so viel zu sehen, denn eine Atemberaubende Aussicht jagte förmlich die nächste.



Als wir endlich in Yosemite Valley angekommen waren, hatte die Uhr bereits elf auf dem Zeiger. Der halbe Park war schon auf den Beinen und ebenso im Tal angekommen. Und der halbe Park das sind schon einige Tausend Menschen. Wir machten uns schlau was es wo zu sehen gab und entschieden uns für den Mist Trail. Circa sechs Stunden Wandern bei mittlerem Schwierigkeitsgrad. Wir fuhren also so nah wie es noch ging an den nächstgelegenen Parkplatz. Der Rucksack wurde vorsichtshalber noch einmal durchgecheckt und es konnte losgehen.



Die erste Brücke mit dem ersten Wasserfall war gerade einmal achthundert Meter entfernt. Ein leichtes. Das dachte ich zumindest, doch es ging gleich richtig los. Es war nun mittags um Punkt zwölf Uhr, die Sonne stand nun am höchsten und ballerte erbarmungslos auf uns nieder, der Weg ging immer nur steil Bergauf und ich schwitzte bereits wie ein… Aber nicht nur ich sondern auch hunderte anderer die sich für diesen Pfad entschieden und auch Alice.



Als wir die Brücke erreichten merkten wir schon dass sich dieser Pfad lohnen würde. Die Aussicht auf den ersten Wasserfall war beeindruckend und zugleich Motivation pur weiter zu gehen. Gesagt getan. Es galt insgesamt eine Strecke von 18 Kilometer zurück zu legen und 610 Höhenmeter zu überwinden, was ein stetiges Bergauf bedeutete. Manchmal war es hart und manchmal noch härter. Der Anstieg war zu Teilen echt Brutal und die Route war auf Mittel ausgelegt. Will noch nicht wissen was schwer bedeutet. Warum noch nicht? Weil sowohl Alice als auch ich uns erst wieder an das Wandern gewöhnen müssen. Ist schließlich schon wieder über ein Jahr her dass wir Korsika unsicher gemacht haben.

Aber weiter im Text. Es ging jetzt hinauf zum ersten Wasserfall. Unterwegs pfiff mich Alice zurück. Sie hatte bemerkt dass eine Frau beim Aufstieg auf den nassen Stufen gestürzt war. Da wir bestens ausgerüstet waren und auch ein Erste-Hilfe-Reise-Packet dabei hatten, wurden die Wunden am Bein von uns erstversorgt. Da die Frau aus Frankreich kam, war es für Alice kein Problem sich mit ihr zu verständigen. Nach getaner Arbeit bedankte sie und auch ihre Familie sich bei uns sehr aber für uns war das Ehrensache.

Oben angekommen genossen wir die Weite und Tiefins Land schauen zu können bei bestem Wetter. Hier beschlossen wir auch eine längere Pause einzulegen und wir suchten uns einen ruhigen Spot direkt am Wasser. Die Sandwiches waren schnell vertilgt denn der Kalorienverbrauch war bislang enorm hoch. Dennoch ließen wir uns Zeit und wir brauchten diese Pause auch. Wir ließen unsere Füße trocknen und packten wieder unsere Sachen zusammen.



Weiter ging es Bergauf und es wunderte uns nicht, da der Gipfel den es zu erklimmen galt noch um einiges entfernt lag. Gut gestärkt waren wir wieder voll Motiviert und die Neugier hatte uns auch gepackt, denn hinter jeder Kurve, hinter jedem Hügel konnte das nächste Atemberaubende Motiv liegen. So in etwa war es auch. Zu entdecken gab es jeden Meter etwas Neues. Ob ein Tier wie der Bluebird,ein Squirrel oder Gecko, Pflanzen mit farbenprächtigen Blüten, andersartigen Blättern oder riesige Bäume deren Rinde sich schraubenartig um den Baum zwirbelte, Steine in allen Formen und Größen, es war einfach Traumhaft diesen Pfad zu gehen. Mist Trail, also Mist war der nun wirklich nicht.



Als wir endlich oben ankamen hatte ich die Idee uns am Fluss erneut einen ruhigen Spot zu suchen aber nicht um zu essen sondern um im Eiskalten und Glasklaren Wasser ein Bad zu nehmen. Da wir keine Badesachen dabei hatten mussten wir also nackig Baden gehen. Alice war erst nicht so begeistert von der Idee aber als sie mich so im Wasser beobachtete und wie mein Grinsen immer breiter wurde, einfach weil das Wasser so erfrischend und belebend war, entschloss sie sich dann auch in den Fluss zu hüpfen. Ja diese Idee hatte ihr dann doch gefallen auch weil wir nun die Dusche gespart hatten die uns hier im Nationalpark sechs Dollar pro Nase gekostet hätte.



Frisch, fromm, fröhlich und frei liefen wir nun das gesamte Plateau ab und schauten uns alles an. Der Weg der hinter uns lag war Steinig und Schwer aber er hatte sich gelohnt. Wir machten abermals an einer Felskante im Schatten eines Baumes eine Pause und aßen die letzten Vorräte. Das Rauschen des Wassers das über die Felskante stürzte war einfach nur Himmlisch. Von nun an ging es nur noch Bergab und wir waren echt fix unterwegs. Wir überholten Hinz und Kunz aber immer auf unseren nächsten Schritt bedacht. Obwohl der Weg gleichmäßig nach unten führte waren die Steine staubig und dadurch zum Teil sehr rutschig.



Unten angekommen sahen wir noch einen großen Specht, der an einem Baum nach Nahrung suchte. Wir beide hatten noch nie einen so großen Specht gesehen. Beeindruckend. Wir liefen zum Auto und waren auch froh endlich angekommen zu sein, denn unsere Füße brauchten nun doch endlich eine Pause. Ich fuhr uns zurück ins Camp wo wir unmittelbar nach Ankunft damit begannen Feuerholz zu suchen.

Während das Essen auf dem Gaskocher langsam vor sich hin köchelte begann ich das erlebte aufzuschreiben und Anna organisierte alles um mich herum. Wir zündeten das Lagerfeuer an und aßen genüsslich unser Dosenfutter. Und es war gar nicht mal so schlecht wie anfangs gedacht. Die Sonne verließ uns schnell und die Nacht brach über uns hinein. Wir beobachteten noch ein wenig den Sternenhimmel bevor wir uns dazu entschlossen uns wieder in unsere Schlafsäcke einzukuscheln.

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